Erstmals fand diese hybrid statt – das heißt aus der Handwerkskammer Bremen heraus von den 300 Gästen per Zoom verfolg- und aktiv mitgestaltbar. Gemeinsam organisiert hatten das Treffen am 25. Februar die Regionalen Netzstellen Nachhaltigkeitsstrategien (RENN) und "Umwelt Unternehmen" – und zwar klimafreundlich: Die Online-Konferenz lief über das energieoptimierte und mit dem "Blauen Engel" zertifizierte Rechenzentrum des Bremer Unternehmens b.r.m. Mit Green-IT also, die nach Ansicht von Alexander Bonde ein "Megatrend mit Nachhaltigkeitspotenzial" ist. In seinem Grußwort stellte der Generalsekretär der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU) heraus: "Die Klimakrise macht keine Corona-Pause. Deshalb muss die Wirtschaft jetzt handeln und nachhaltige Innovationen, Geschäftsmodelle und Techniken entwickeln. Viele Unternehmen haben sich dafür schon auf den Weg gemacht."
Diesen Eindruck unterstrichen viele der folgenden Programmpunkte – allen voran ein Vortrag von Dr. Hans-Dietrich Reckhaus, Geschäftsführender Gesellschafter der Reckhaus-Gruppe. Unter dem Titel "Der 180°-Wandel – Gegen Widerstände zum revolutionären Produkt" gab er einen spannenden Praxiseinblick. In den vergangenen Jahren hat der Unternehmer sein Geschäftsmodell komplett umgekehrt: vom "Insektenbekämpfer" als Hersteller von Bioziden zum "Insektenretter" durch ökologische Kompensation mit dem Anlegen insektenfreundlicher Flächen. Das Umdenken stieß bei einem großen Teil seiner Belegschaft auf Unverständnis, denn: Im Zuge des Wandels ließ Reckhaus seine Produkte mit Warnhinweisen und Präventionstipps zum Schutz von Insekten versehen. Zeitgleich startete er die Herstellung von Lebendfallen für den Markt der Zukunft. Der Erfolg, berichtete der Geschäftsmann, ließ erst einmal auf sich warten. "Fünf Jahre bekamen wir nur Auszeichnungen und mediale Aufmerksamkeit." Dann wendete sich das Blatt. Seit 2017 steigt die Nachfrage von Großkunden nach Artikeln des Erfinders von "Insect Respect" kontinuierlich.
Impulse aus der "Höhle der Nachhaltigkeit"
Ideen für morgen waren ebenfalls Teil der Tagung: In der "Höhle der Nachhaltigkeit" konnten Vertreterinnen und Vertreter von Start-ups, Betrieben, Instituten und Initiativen in drei Minuten ihr Konzept oder Angebot vorstellen. Darunter war zum Beispiel das von Studierenden der Universität Bremen gestaltete Poster "Die Nachhaltigen 222+" mit Informationen und Tipps für klimafreundliches Handeln sowie ein Öko-Chatbot: eine App für einen CO2-Spar-Wettbewerb unter Beschäftigten im Büro. Mitarbeitende für Nachhaltigkeit zu sensibilisieren bzw. zu gewinnen, das war auch Thema eines von insgesamt sechs Workshops, an dem die Konferenzgäste teilnehmen konnten. In diesem zeigte Jens Tanneberg von der Bildungsvereinigung Arbeit und Leben e. V. Bremen, von welchen der insgesamt 17 Zielen für nachhaltige Entwicklung (Sustainable Development Goals / SDGs) Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer profitieren können. Karin Lang, Geschäftsführerin der Sonnentracht GmbH, lieferte Beispiele aus ihrem Unternehmen. Dort gibt es ein kostenloses Mittagessen für alle, das vegetarisch ist und aus ökologischem, regionalem Anbau stammt. Zudem hat ihre Firma am Projekt "Green Nudging" der Klimaschutzagentur energiekonsens teilgenommen, um klimafreundliches Verhalten bei den Beschäftigten anzustoßen und zu etablieren.
Den Krisen mit Verantwortung begegnen
Einen Orientierungsrahmen für verantwortungsvolles Wirtschaften, so , Generalsekretär des Rates für Nachhaltige Entwicklung (RNE), gebe die Bundesregierung mit dem Deutschen Nachhaltigkeitskodex. Über diesen machen bislang 650 Unternehmen ihre Nachhaltigkeitsleistungen transparent – "da ist noch Luft nach oben", betonte er und hob gleichzeitig hervor, dass sich die strategische Ausrichtung auf Nachhaltigkeit für Betriebe lohnt – und zwar insbesondere bei der Fachkräftegewinnung: "Ein ‚Grünes‘ Image ist bei der Arbeitgeberwahl wichtig für junge Menschen."
Dr. Miriam Bodenheimer vom Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung ISI führte aus, warum es noch im Interesse der Wirtschaft sein müsse, entsprechend Verantwortung zu übernehmen. “Die Ursachen und Folgen der Covid-19-Krise liegen in fehlender ökologischer, ökonomischer und sozialer Nachhaltigkeit begründet. Der Verlust von Lebensraum und Biodiversität hat eine Nähe zwischen Tier und Mensch geschaffen, die die Übertragung von Viren erst möglich macht. Zudem beschleunigen globale Lieferketten und damit assoziierte internationale Dienstreisen die Verbreitung von Infektionen wie Corona. Nicht zuletzt offenbart die Krise die sozialen Schwachstellen unserer Gesellschaft: zum Beispiel gehen viele der jetzt systemrelevanten Berufe einerseits mit schlechter Bezahlung, andererseits mit einer hohen Ansteckungsgefahr einher.“ Die Wissenschaftlerin forderte unter anderem gesetzliche Rahmenbedingungen, die die Nachhaltigkeit von Unternehmen fördern – ein "Level Playing Field" für alle Marktteilnehmenden.
Ein Aspekt, den der Staatsrat bei der Senatorin für Klimaschutz, Umwelt, Mobilität, Stadtentwicklung und Wohnungsbau der Freien Hansestadt Bremen, Ronny Meyer, in einer abschließenden Diskussion mit Vertreterinnen und Vertretern aus Handel, Handwerk und Verbraucherschutz aufgriff. Er betonte: "Der Wandel, der bevorsteht, kann nicht überschätzt werden und gelingt nur gemeinsam mit Unternehmen. Um das Ziel der Klimaneutralität zu erreichen, sind konsequente Veränderungen notwendig. Dabei kann die Politik begleiten und mit Regulierung für mehr Nachhaltigkeit steuern. Diese müssen für alle Bundesländer gelten und am besten einer europäischen Richtlinie entsprechen, um die Abwanderung von Firmen zu vermeiden. Im Kampf gegen den Klimawandel brauchen wir Geschlossenheit und überparteiliche Akzeptanz."
Die Videos zur Veranstaltung gibt es auf dem Umwelt Unternehmen Youtube-Kanal.